Die Häuser-Herausforderung

Wie der Gebäudesektor klimaneutral werden kann

Halli Hallo! Das Wochenende steht vor der Tür und damit auch die vorerst letzte kleine Spezialausgabe zum Ukraine-Krieg. Wir bei kleiner wohnen werfen natürlich immer besonders den Blick auf den Gebäudesektor. Da 55 % unserer Erdgasimporte und 35 % unserer Erdölimporte aus Russland stammen und beide Rohstoffe vor allem bzw. auch im Wärmesektor zum Einsatz kommen, hat der Krieg auch schwerwiegende Folgen für den Gebäudesektor. Denn mehr als die Hälfte der Gebäude Deutschland wird mit Gas beheizt.1 Ein Viertel mit Öl.2 Der Wunsch nach warmen Wohnungen führt dazu, dass private Haushalte ungefähr so viel Erdgas verbrauchen wie die ganze Industrie in Deutschland.3

Auch angesichts der neuen C02-Emissionsdaten für das Jahr 2021 vom Umweltbundesamt und einer erneuten Zielverfehlung des Gebäudesektors, stellt sich berechtigterweise die Frage, welche Auswirkungen der schreckliche Krieg in der Ukraine auf den Sektor hat, was man jetzt tun kann und wie das Ziel „Klimaneutralität 2045“ trotzdem erreicht werden kann.

Welche Auswirkungen hat der Krieg auf den Gebäudesektor?

Die unmittelbarste Auswirkung des Krieges ist ein drastischer Anstieg der Heizkosten für Menschen in Deutschland, die mit Gas oder Erdöl heizen. Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BEDW) lag der Gaspreis für Haushalte in Mehrfamilienhäusern Anfang 2022 bei durchschnittlich 11,84 Cent/kWh. Dies ist ein Anstieg um 83 % im Vergleich zu 2021 (6,47 Cent/kWh).4 Trieben eine erhöhte Nachfrage auf den Weltmärkten, eine vermehrte Nutzung von Gas im Stromsektor sowie höhere Entgelte den Preis schon so in die Höhe, war der Krieg der Hauptauslöser des radikalen Preissprungs.5 Ähnlich sieht es beim Heizöl aus, das rund 141% teurer ist als vor einem Jahr.6

Sollte es zu einem kurzfristigen Importstopp kommen, droht sogar ein Versorgungsengpass im nächsten Winter. Da die Speicher für diesen sich dem Ende neigenden Winter noch genug gefüllt sind, droht unmittelbar kein Wärmeengpass. Allerdings sieht das in Hinblick auf die nächsten Winter anders aus. Doch private Haushalte müssen sich keine Sorgen machen zu frieren, da sie Vorrang bei der Versorgung haben. Die Industrie müsste allerdings ihren Verbrauch drastisch drosseln, was wiederum ungeahnte Konsequenzen mit sich ziehen würde.

Was kann man jetzt tun?

Die angesprochenen Preissprünge lassen sich kurzfristig kaum abfedern, da die Art der Wärmeversorgung in Deutschland nur zu 15 % aus erneuerbaren Energieträgern erfolgt.7 Wie eingangs erwähnt heizen drei Viertel aller Haushalte in Deutschland mit fossilen Energieträgern. Eine schnelle Umrüstung der Heizungen ist angesichts des riesigen Sanierungsbedarfs nicht realistisch und ein Abfedern der billigen Energieimporte aus Russland aus anderen Quellen ist kostenintensiv. Zwar plant Deutschland vermehrt auf verflüssigtes Erdgas aus Norwegen, den USA oder auch Katar zu setzen.8 Allerdings ist diese Beschaffung aufgrund eines fehlenden LNG (verflüssigtes Erdgas) -Terminals in Deutschland und des höheren Aufwands teurer. 

Nichtsdestotrotz erscheint eine Diversifikation der Energieimporte sinnvoll und auch der Rückkauf der Gasspeicher, die zum großen Teil Gazprom gehören (Ja, ihr habt richtig gelesen!) scheint unumgänglich.9

Gleichzeitig können wir möglichst zügig die heimische Energie ausbauen und die Kapazität existierender Anlagen hochfahren.10

Ein letzter, aber sehr einfacher und schnell umsetzbarer Punkt ist das Energiesparen und das Erhöhen der Energieeffizienz. Schließlich senkt jedes Grad weniger den Energieverbrauch um 6 Prozent.11 Heißt jede Verbraucher:in kann selbst die Thermostate herunterdrehen und mithelfen Energie zu sparen. Unterstützend dazu, würde es helfen, den Wärmesektor zu digitalisieren und sogenannte Smart-Meter an den Thermostaten anzubringen, die die Wärme im Haus je nach Anwesenheit und Bedarf smart regulieren.

Wie kann das Ziel „Klimaneutralität 2045“ trotzdem erreicht werden?

Sind oben genannte Maßnahmen kurzfristig- bis mittelfristig umzusetzen, braucht es für eine erfolgreiche “Wärmetransformation 2045“ langfristige Einschnitte und Änderungen. 

Beim Thema Energieeffizienz wird kein Weg dran vorbeiführen, den Gebäudebestand noch schneller und radikaler zu sanieren. Denn mehr als die Hälfte aller Wohngebäude in Deutschland sind älter als 50 Jahre.12 Deutschlandweit sind laut laut des Bundesverbands der deutschen Industrie sogar noch immer knapp zwei Drittel der Fassaden ungedämmt.13

Das große Problem: Seit langer Zeit stagniert die Sanierungsrate in Deutschland bei knapp 1 Prozent pro Jahr. Expert:innen, wie Agora Energiewende, fordern allerdings eine Sanierungsquote von mindestens 1,75 %, um die Klimaziele im Gebäudesektor erreichen zu können.14

Dabei verbrauchen sanierte Gebäude laut der Deutschen Energieagentur bis zu 80 Prozent weniger als unsanierte Immobilien.15

Die zweite Herkulesaufgabe, die wir bereits erwähnt hatten, ist die Art der Wärmeerzeugung. Stagnieren wir im Moment bei 15% erneuerbaren Energieträgern, soll bis 2030 soll die Hälfte der Wärmeerzeugung in Deutschland klimaneutral erfolgen. Dafür sollen in acht Jahren sechs Millionen effiziente Wärmepumpen installiert werden. Eine große Herausforderung, da in den letzten 20 Jahren gerade einmal eine Million Wärmepumpen verbaut wurden.16

Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es deshalb eine bessere Fördersystematik, mehr erneuerbare Energien, die am besten selbst erzeugt werden und wahrscheinlich ein Einbauverbot von fossilen Heizungen. Ein Vorbild für Deutschland könnte hierfür Dänemark sein. Seit 2013 sind Öl- und Gasheizungen dort im Neubau verboten. Und seit 2016 dürfen alte Heizkessel für fossile Brennstoffe nicht mehr gegen neue fossil befeuerte Anlagen ausgetauscht werden.17

Außerdem dürfen mit Wärmenetzen in Dänemark keine Gewinne gemacht werden, was zu geringeren Preisen führt. Ein Prinzip, das über Genossenschaften auch in Deutschland Schule machen könnte.18

Zusammengefasst kann das klimafreundliche Sanieren und der Austausch von Gasthermen gegen Wärmepumpen europaweit bis 2030 ein Viertel aller russischen Erdgasimporte überflüssig machen19.

Eine win-win Strategie also, die uns unabhängiger von Russland macht und gleichzeitig Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045 führen kann.

Wie reagiert die Politik?

Abschließend bleibt die Frage, was die aktuelle Ampel-Regierung plant? Erste Säulen lassen sich aus einem Ad-hoc Plan zur Gasreduktion ableiten. Dieser beinhaltet nach Angaben des Spiegels unter anderem eine Solardachpflicht für gewerbliche und private Neubauten, ausschließlich neu verbaute Heizungen auf Basis von 65 % erneuerbaren Energien ab 2025, eine Wärmepumpen- sowie nachhaltige Wärmenetz-Offensive sowie eine Ausbildungsoffensive für Wärmepumpeninstallateure20

Wie ihr seht, gibt es sehr viel zu tun. Der Ukraine-Krieg und die Folgen stellen uns vor eine riesige Herausforderung im Gebäudesektor, die sowieso schon groß genug war. Nur mit einer konsequenten Klimaschutzstrategie, die die Verbesserung der Energieeffizienz, das Ersetzen von fossilen Heizungen und die Umsetzung von kreativen, nachhaltigen Wohnkonzepten beinhaltet, kann das Ziel eines klimaneutralen Deutschlands 2045 verwirklicht werden. 

Vor allem letzteren Punkt wollen wir bei kleiner wohnen mit unserer Expertise und unseren Projekten im Bereich innovative, nachhaltige und mobile Wohnkonzepte weiter vorantreiben. Denn wir sind überzeugt durch kreative Wohnformen die grünen Städte der Zukunft mitgestalten zu können.

Wir wünschen Euch ein schönes Wochenende!


Quellenangaben:

1 t-online: Wieso Deutschlands Sanierungsstau den Ukraine-Krieg befeuert:
https://www.t-online.de/nachhaltigkeit/id_91842160/wieso-deutschlands-sanierungsstau-den-ukraine-krieg-befeuert.html
(abgerufen am 18.03.2022)

Handelsblatt: Wofür Erdgas in Deutschland gebraucht wird:
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energie-wofuer-erdgas-in-deutschland-gebraucht-wird/28138366.html
(abgerufen am 18.03.2022)

3 t-online: Wieso Deutschlands Sanierungsstau den Ukraine-Krieg befeuert:
https://www.t-online.de/nachhaltigkeit/id_91842160/wieso-deutschlands-sanierungsstau-den-ukraine-krieg-befeuert.html
(abgerufen am 18.03.2022)

Forbes.com: 4 Gründe, warum der Gaspreis 2022 steigt:
https://www.forbes.com/advisor/de/gas/gaspreis/
(abgerufen am 18.03.2022)

5 Ebd.

Tecson: Heizölpreise:  Heizöl Preisentwicklung u. Tendenz:
https://www.tecson.de/heizoelpreise.html
(abgerufen am 18.03.2022)

Umweltbundesamt: Energieverbrauch für fossile und erneuerbare Wärme:
https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energieverbrauch-fuer-fossile-erneuerbare-waerme#warmeerzeugung-aus-erneuerbaren-energien
(abgerufen am 18.03.2022)

Handelsblatt: Wofür Erdgas in Deutschland gebraucht wird:
https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energie-wofuer-erdgas-in-deutschland-gebraucht-wird/28138366.html
(abgerufen am 18.03.2022)

9Frankfurter Rundschau: Ukraine-Konflikt: In drei Schritten zur Unabhängigkeit von Russland:
https://www.fr.de/wirtschaft/ukraine-konflikt-russland-energiewende-gas-nord-stream-2-unabhaengigkeit-deutschland-91375951.html
(abgerufen am 18.03.2022)

10 Ebd.

11 t-online: Wieso Deutschlands Sanierungsstau den Ukraine-Krieg befeuert:
https://www.t-online.de/nachhaltigkeit/id_91842160/wieso-deutschlands-sanierungsstau-den-ukraine-krieg-befeuert.html
(abgerufen am 18.03.2022)

12 Ebd.

13 Ebd.

14 Agora Energiewende: Klimaneutrales Deutschland 2045:
https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/klimaneutrales-deutschland-2045
(abgerufen am 18.03.2022)

15 Ebd.

16 t-online: Wieso Deutschlands Sanierungsstau den Ukraine-Krieg befeuert
https://www.t-online.de/nachhaltigkeit/id_91842160/wieso-deutschlands-sanierungsstau-den-ukraine-krieg-befeuert.html
(abgerufen am 18.03.2022)

17 Der Tagesspiegel: Es ist etwas warm im Staate Dänemark:
https://www.energiezukunft.eu/politik/nur-erneuerbare-energien-schaffen-frieden/
(abgerufen am 18.03.2022)

18 Ebd.

19 t-online: Wieso Deutschlands Sanierungsstau den Ukraine-Krieg befeuert:
https://www.t-online.de/nachhaltigkeit/id_91842160/wieso-deutschlands-sanierungsstau-den-ukraine-krieg-befeuert.html
(abgerufen am 18.03.2022)

20 Der Spiegel: Deutschland will Gasverbrauch schneller senken:
https://www.spiegel.de/wirtschaft/abhaengigkeit-von-putin-bund-will-deutschlands-gasverbrauch-schneller-senken-a-8ac3130f-4e91-4702-8dd0-a850504bd44a
(abgerufen am 18.03.2022)